Partikelgeschwindigkeiten messen

PIV=particle image velocimetry

Im September 2015 habe ich mich mit der Geschwindigkeitsmessung von Strahlmittelpartikeln (PIV im Einzelbild-Verfahren) beschäftigt.

Nicht, dass es da nicht schon fertige Lösungen gegeben hätte – aber eben Lösungen für den großen Geldbeutel, die Investitionen im fünf bis sechsstelligen Eurobereich nötig machen. Meine Lösung sollte etwas für den kleinen bis mittleren Geldbeutel sein. Um es vorweg zu nehmen: das ist dann auch gelungen.

Winkel-SW

Aufgabenstellung

Die Geschwindigkeit von Strahlmittelpartikeln sollte ca. 100 mm nach dem Austritt aus einer Sandstrahldüse gemessen werden. Die zu erwartenden Werte lagen grob zwischen 10 und 100 m/s. Bei den Partikeln handelte es sich um Keramikkugeln mit einem Durchmesser von 400 bis 600 µm. Es sollte, wenn möglich, auch der Geschwindigkeitsunterschied zwischen den kleinsten und größten Partikeln erfasst werden.

Zur Theorie

Die Strahlmittelpartikel sollten in absoluter Dunkelheit an einem geöffneten Kameraverschluss vorbeifliegen. Ein in der Dauer exakt steuerbarer Blitz würde einen Teil der Flugbahn belichten und diesen als Strich auf dem Foto sichtbar machen. Hier ist Bewegungsunschärfe gefragt. Die Länge des Striches kann man dann ausmessen. Sind Strichlänge und Blitzdauer bekannt, lässt sich die Geschwindigkeit errechnen.

Beispiel

Blitzzeit 125µs = 1/8000 Sekunde. Strichlänge 10 mm x 8000=80000 mm/s oder 80 m/s.

Versuchsvorbereitung

Zur Vorbereitung dieses Versuches wurde die Sandstrahlkabine mit schwarzem Bühnenmolton komplett abgedunkelt. Fotografiert wurde bei 3200 ISO und mit einer 2,8er Blende. Die Kamera wurde mit Fernauslöser langzeitbelichtet, also auf Stellung „Bulb“. Während der Langzeitbelichtung ist ausschließlich die Blitzdauer für die Belichtung maßgeblich. Die Sandstrahldüse wurde auf einem Stativ befestigt und mit Hilfe eines Rundstabes in der Düsenöffnung so ausgerichtet, dass die Flugbahn der Partikel genau parallel zur Abbildungsebene der Kamera lag. Die Kamera wurde auf den Rundstab fokussiert.

Ausrichten

Auf dem nächsten Bild erkennt man von rechts kommend den Strahlschlauch (gelb), die Strahldüse mit den austretenden Keramik-Partikeln und im Hintergrund das Aluminiumgehäuse mit der Fotodiode.

Versuchsaufbau-mit-Düse

Ein Versuch mit ungeeigneter Lichtquelle

In einem ersten Versuch wurde mit dem Nikon-Speedlight SB-900 geblitzt. Das Bild ist mit der Einstellung M1/64 belichtet worden. Da wird nur ein Teil der maximalen Blitzleistung frei. M1/64 bedeutet, dass der Blitz mit einem 64stel seiner Maximalleistung zündet, also mit 1,5 %. Nikon gibt im Handbuch zum SB-900 eine Belichtungszeit von 1/35,700 s an. Das wären 28 Millisekunden. Ein Blitz aus dem SB-900 führte aber zu Unschärfen am Anfang und am Ende der Spuren, wodurch ihre Längen nicht eindeutig zu bestimmen waren.

Bewegungsunschärfe

Warum sich ein Xenon-Blitz nicht eignet

Die Ursache für die Unschärfe am Anfang und am Ende der Striche liegt in der ungleichmäßigen Helligkeit des Blitzes innerhalb einer Auslösung.
Ein Blitz mit einem Foto-Blitzgerät kommt in der Regel aus einer Xenon-Blitzröhre und diese hat keine gleichmäßige Lichtstärke innerhalb eines Blitzes. Alle Xenonblitze haben diese schlechte Charakteristik, nämlich die, im übernächsten Bild gezeigte. Die Helligkeit steigt langsam bis zum Maximum an, um dann langsam wieder auf Null abzufallen. Ein sprunghafter Anstieg und Abfall der Helligkeit, gleich der eines Rechteck-Signals, wäre für diese Anwendung aber deutlich besser, weil nur die steilen Flanken eines Rechteckes die Kontur der Partikel am Anfang und am Ende der Bewegung scharf abbilden. Nur dann kann man die Strichlänge exakt messen.

Untersuchung der Lichtquelle

Für die Untersuchung der Lichtquelle habe ich eine schnelle Fotodiode des Typs SFH203 in Hellschaltung verwendet. Bei Lichteinfall wird die Diode leitend und die Ausgangsspannung steigt proportional an. Der einfache Aufbau steckt in einem Rose-Aluminium Standardgehäuse von RS Components (Best.-Nr. 506-918). Das Gehäuse hat die Schutzart IP 66. So kann kein Staub oder Strahlmittel eindringen. Wie bei allen schnellen Impulsen leitet man diese am besten über eine BNC-Buchse zum Oszilloskop.
Ein sehr ähnliches Gehäuse gibt es übrigens auch bei Pollin zum halben Preis!

Sensor-Hellschaltung

Die Helligkeit eines Xenon-Blitzes wurde mit dem oben abgebildeten Gerät und einem Oszilloskop gemessen. Das nächste Bild zeigt die Verteilung der Helligkeit eines Xenon-Blitzes über eine Dauer von ca. 80 µs an.

Intensitätsverteilung des Xenonblitzes

Bei einer solchen Messung muss man darauf achten, dass die Fotodiode nicht in die Sättigung geht. Das Oszilloskop würde dann nämlich ein Rechtecksignal zeigen, welches mit dem tatsächlichen Verlauf der Helligkeit nicht überein stimmt.

volle-Saettigung

Ein Fehler, der mir bei meinen früheren Messungen gerne unterlaufen ist, war die Fotodiode währen der Messung teilweise in die Sättigung zu fahren. Das Ergebnis sieht man im nächsten Bild: Das Signal steigt mit zunehmender Helligkeit an, bis es in eine Ebene übergeht. Von diesem Punkt an ist die Fotodiode voll geöffnet und schaltet die volle Betriebsspannung auf den Ausgang. Das Signal sieht ein bisschen wie ein schlechtes Rechteck aus, ist aber in Wirklichkeit dasselbe Signal des Xenonblitzes wie im vorletzten Bild – nur oben abgeschnitten.

teilweise-Sättigung

Ein neuer Versuch mit Laserlicht

Nachdem jetzt alle möglichen Messfehler im Zusammenhang mit der Fotodiode bekannt sind, wird der Versuch mit einem „Laser-Blitz“ wiederholt.
Dazu habe ich eine 1,6 Watt starke Laserdiode mit der Wellenlänge 450 nm (blau) mit Kollimator und einem passendem Treiber angeschafft.
Der Treiber ist sowohl analog, als auch digital modulierbar und kann Frequenzen bis 250 kHz mit einer Anstiegszeit von 1,4 µs folgen.

Laser

Laserstrahl aufweiten

Der aufgeweitete Strahl soll genügend viele Partikel gleichzeitig belichten.
Die Partikel bestehen aus weißer Keramik. Die Leistung des Lasers kann ich mit der Höhe des angelegten Modulationspulses steuern.

Betreibt man den Laser ohne Kollimator, so wird aus dem Laserstrahl ein ovaler Lichtkegel, der in einem halben Meter Entfernung etwa 10 x 50 cm groß ist. Auf eine helle, reflektierende Fläche gerichtet ist ein solcher unkollimierter Laser und auch seine Reflexion (schreibt man das heute so?) für das Auge schon gefährlich.
(Für mich ist eine Reflektion etwas, was zurückgespiegelt wird und ein Reflex etwas, das Nerven auf einen bestimmten Reiz hin ausführen. – Hoffentlich bekommen wir nach der Rechtschreibreform nicht demnächst eine Recht-Rechen-Reform. Da wäre als Lösung für die Rechenaufgabe 2+2 dann 3 genau so richtig wie 5.)

Laser-ohne-Kollimator

Der Laser-Blitz zeigt die gewünschte Signalform. Auch die Verteilung der Helligkeit eines „Laser-Blitzes“ über ca. 200 µs sieht da schon anders aus als die des Xenon-Blitzes. Das wird ein brauchbarer Blitz!

200-Mikrosekunden-Laserlicht

Impulserzeugung

Mit einem entsprechenden Signalgenerator lassen sich mit dem Treiber Lichtblitze von mindestens 4 µs Dauer erzeugen. (t=1/f) 1/250.000=0,000.004 Sekunden.

Einen solchen Signalgenerator habe ich zum Glück noch aus der Zeit meiner Tropfenfotografie in der Krabbelkiste rumliegen. Heute setzt man sowas vermutlich mit einem Arduino um.
(Falls jemand sich zutraut einen solchen Signalgenerator mit Hilfe eines Arduinos o.ä. professionell umzusetzen: bitte melden!)
Damit lassen sich auf einen analogen oder digitalen Triggerimpuls verzögert einzelne Pulse im Bereich zwischen 1,0 µs und 65.535,0 µs ausgeben. Außerdem lassen sich mehrere Bursts mit mehreren Pulsen (bis zu 255 je Burst) oder eine endlose Folge von Pulsen einstellen.
Die Verzögerungszeit nach dem Triggerimpuls ist in weiten Bereichen zwischen 10,0 µs und 400.000.000,0 µs einstellbar.

Signalgenerator

Die Impulse des Signalgenerators sehen auf jeden Fall sehr brauchbar aus. Hier der kürzeste Impuls der erzeugt werden kann: Er hat eine Länge von einer Mikrosekunde (µs). Je länger die Impulse, desto steiler werden die Flanken im Verhältnis zum Signal. (In Wirklichkeit werden die Flanken nicht steiler, man schiebt nur die X-Achse zusammen. Die ansteigende Flanke benötigt ca. 100 ns bis zum Erreichen des Maximalwertes.)

1mikrosekunde

So kurze Impulse werde ich nicht brauchen. Ich liege also mit der Dimensionierung der Laserlichtquelle auf der sicheren Seite.
Ein 4 µs langer Lichtblitz würde bei einer erwarteten Geschwindigkeit von 100 m/s einen Bewegungsunschärfe-Strich von 0,4 mm Länge erzeugen. Bei kleineren Geschwindigkeiten werden die Striche entsprechend kürzer. Ich denke, dass die kürzeste benötigte Pulsdauer 50 µs nicht unterschreiten muss.
Hat man aber schon mal einen Laser im Haus, so ist CW (continuous Wave), also Dauerstrich auch eine schöne Sache. Wofür ich das mal brauche weiß ich noch nicht.:-)

Wichtig dabei ist, dass man eine zur Wellenlänge passende Schutzbrille nicht nur im Hause, sondern vor den Augen hat.

Blue-Laser

Bessere Ergebnisse durch Laserlicht

Partikelbewegung unter Laserlicht

Ein Klick auf das Bild öffnet die volle Auflösung in einem neuen Fenster.

Auswertung

Jetzt lassen sich die Strichlängen auswerten. Über das Foto wird ein Raster mit bekannter Kantenlänge gelegt. Mit Hilfe dieses Rasters lässt sich die Strichlänge wunderbar bestimmen. Die gemessenen Längen liegen zwischen 13,3 und 16,2 mm. Multipliziert mit 5000 (bei 200 µs) ergibt das Geschwindigkeiten zwischen 66,5 und 81,0 m/s.

Strichlaenge

Fazit

Die Strahlmittelpartikel verlassen die Düse mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.

Vorteil dieses Verfahrens

Der Vorteil des hier verwendeten Einzelbild-Verfahrens liegt darin, dass wir nicht die durchschnittliche Geschwindigkeit aller Partikel messen, sondern die Geschwindigkeit jedes einzelnen Partikels.

Nachteil der üblichen Verfahren

Üblicherweise werden bei den PIV-Messverfahren für den großen Geldbeutel zwei oder mehrere Bilder in einem bestimmten zeitlichen Abstand voneinander gemacht und Partikelmuster auf ihren räumlichen Versatz hin überprüft. Da sich aber nicht alle Partikel mit derselben Geschwindigkeit bewegen, wird bei diesem Verfahren nur die durchschnittliche Geschwindigkeit aller Partikel gemessen.

Schade eigentlich!


Es ist ein Unterschied, gerade wenn es um kurze Pulse geht, ob man den Spannungsabfall am Shunt oder das Licht am Ausgang der Laserdiode misst.
Hier die Signalform über dem Vorwiderstand (Shunt):

20mikro-Shunt

und hier das tatsächlich an der Fotodiode ankommende Laserlicht:

20mikro-Licht

Wenn die Impulse kürzer werden, sieht es noch schlimmer aus.
Scheinbar ist dieser Diodenlaser bei 20 µSekunden am Limit. Vielleicht ist das Problem aber auch durch die zu lange Zuleitung zur Laserdiode bedingt. Laserdioden sollen da sehr empfindlich sein.
An der Fotodiode liegt es vermutlich nicht, die Fotodiode des Typs SFH203 hat eine Rise/Fall-Time von 5ns.

 

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