S1000R Radaufstandspunktversatz

Heute hat mein Motorrad einen neuen Hinterreifen bekommen und ich wollte das Hinterrad anschließend ordentlich ausrichten. Auf die Markierungen an der Schwinge kann man sich ja in der Regel nicht so gut verlassen.

Vorbereiten der Hebebühne

Also habe ich meine Hebebühne vermessen und eine Mittellinie eingezeichnet. Auf dem “Überfahrschutz” am vorderen Ende der Bühne habe ich die Mittellinie fortgeführt und eine Skala aufgezeichnet.

Laserstrahl
Laserstrahl über einer Alu-Richtlatte

Aufstellen des Motorrades

Das Motorrad habe ich dann vorne in die Wippe (Steadystand) geschoben. Das Vorderrad ist darin ziemlich straff geklemmt und zentriert. Lenken ist jetzt nicht mehr möglich.

Das Hinterrad steht auf einem Blatt Papier, um es seitlich noch verschieben zu können. Mit der Wasserwaage habe ich dann die Lotrechte überprüft und das Hinterrad gleichzeitig sowohl senkrecht, als auch zur Mitte der Bühne hin ausgerichtet.

Das Motorrad steht jetzt genau senkrecht und genau mittig auf der Hebebühne.

Reifenbreite

Die Breite des Hinterreifens habe ich mit Hilfe zweier Anschlagwinkel gemessen. Er ist in meiner Felge 196 mm breit. (Bridgestone Battlax S20 R evo 190/55 ZR 17)

Messen mit dem Kettenlaser

Ich habe einen Kettenlaser auf eine Wasserwaage geklebt. Liegt die Wasserwaage flach auf dem Tisch, so leuchtet der Laserstrahl in 25 mm Höhe. *(In der Praxis ist es ein bisschen komplizierter, aber das tut hier nichts zur Sache)

Diese 25 mm muss man jetzt auf jeder Seite zur Reifenbreite dazu addieren, wenn man die Wasserwaage seitlich gegen den Reifen hält. Der Abstand der Laserpunkte auf der Skala müsste dann 196 + 25 + 25 = 246 mm betragen.

Die Wasserwaage habe ich abwechselnd rechts und links seitlich am Hinterreifen angelegt.

Ich weiß, der Laser liegt auf dem Reifen und nicht auf der Felge. Das ist immer ein bisschen ungenau. Aber in meinem Fall hat die Reifenkante gegenüber der Felge einen Seitenschlag von nur 0,1 mm.

Tatsächlich stimmt die Breite auch relativ genau. Rechts 129 mm + links 118 mm = 247 mm (Ich habe auf halbe Millimeter verzichtet.)

Bei genauer Ausrichtung des Hinterrades müsste der Laserpunkt allerdings auf jeder Seite der Skala bei der halben Breite stehen (123 mm).

Laserpunkt rechtsseitig 130 mm
Der Laserpunkt steht rechts 130 mm aus der Mitte.

Der kleine Anschlagwinkel soll nur zeigen, dass das Hinterrad zu beiden Seiten gleich weit entfernt, also genau mittig steht. Er liegt mit dem senkrechten Schenkel am Reifen und mit dem waagerechten Schenkel am Ausschnitt der Hebebühne an. Das ist auf beiden Seiten so.

Auf der rechten Seite steht der Laserpunkt genau 129 mm außermittig.

Laserpunkt rechts 129 mm außermittig.
Der Laserpunkt steht rechts 129 mm aus der Mitte.

Auf der linken Seite sieht es etwas anders aus:

Laserpunkt linksseitig 118 mm
Der Laserpunkt steht links 118 mm aus der Mitte.

Hier steht der Laserpunkt nur 118 mm außermittig.

Laserpunkt linksseitig 118 mm
Der Laserpunkt steht links 118 mm aus der Mitte.

Die gemessenen Längen der Kettenspanner sind auf beiden Seiten in etwa gleich.

Kettenspanner links
Kettenspanner links
Kettenspanner rechts
Kettenspanner rechts

Die Spannplatten stehen auf beiden Seiten in etwa gleich zu den Markierungen.

Einstellen:

Ich entspanne also den rechten Kettenspanner, bis die Laserlinien auf beiden Seiten denselben Abstand zur Mitte haben.

Nach dem Einstellen mit dem Laser:

Laserpunkt rechts nach dem Einstellen 122 mm
Laserpunkt rechts nach dem Einstellen 122 mm
Laserpunkt links nach dem Einstellen 122 mm
Laserpunkt links nach dem Einstellen 122 mm

Jetzt stehen die Laserpunkte zu beiden Seiten gleich, die Skalen der Kettenspanner stimmen aber nicht mehr.

Kettenspanner rechts nach dem Einstellen 48,5 mm
Kettenspanner rechts nach dem Einstellen 48,5 mm
Kettenspanner links nach dem Einstellen 49,6 mm
Kettenspanner links nach dem Einstellen 49,6 mm

Man erkennt schon mit dem Auge auf der linken Seite einen deutlichen Abstand der Spannplatte zum fünften Strich der unteren Markierung.

In welchem Winkel stehen jetzt wohl Schwingenachse und Hinterradachse zueinander?

Irgendetwas stimmt hier nicht!

Das meiste von dem was ich bisher gemessen habe ist ziemlicher Mist.
Das muss man dann auch mal zugeben können. Warum?

Vorderrad:

Die Wippe (Steadystand) auf der Hebebühne hält das Vorderrad nicht automatisch in der Mitte.
Je nachdem, wie man in die Wippe hinein fährt, steht das Vorderrad auch schon mal leicht schief.
Ich habe jetzt die Wippe entfernt und zentriere das Vorderrad über zwei gleich dicke Multiplexplatten.
Zwar immer noch über den Reifen, aber der zentriert das Vorderrad recht ordentlich.
Die Bremsscheiben haben übrigens rechts und links den gleichen Abstand zum Felgenhorn (trotz der Lochscheibe für das Tachosignal). Sie sind leicht federnd gelagert, also etwas beweglich, wenn man mit zu viel Kraft misst.
Die Mittelstellung des Vorderrades lässt sich jedoch über die Bremsscheiben prüfen, wenn die noch halbwegs eben und nicht so stark verschlissen sind.

zentriertes Vorderrad
Vorderrad wird zentriert

Kettenrad:

Das Kettenrad ist in Gummi gelagert und eiert ein bisschen.
Legt man den Kettenlaser hier auf, so steht der Laserpunkt in der Nähe des Ritzels mal auf dem inneren und mal auf dem äußeren Kettenglied, je nachdem an welcher Stelle des Kettenrades man den Laser anlegt.
Eine Messung mit dem Kettenfluchtlaser ist also relativ ungenau, wenn man den Laser auf das Kettenrad legt.
Mein Kettenrad hat einen seitlichen Schlag von 0,56 mm!

Seitenschlag im Kettenrad
Seitenschlag im Kettenrad

Überprüfung der Achsparallelität

Wenn die Achsen der Schwinge und des Hinterrades genau parallel zueinander stehen, dann müssten die beiden Laserstrahlen rechts und links vom Hinterrad genau mittensymmetrisch stehen. Tun sie das nicht, so hätte das Hinterrad gegenüber dem Vorderrad einen Radaufstandspunktversatz!

Zentrierkegel mit Laser:

Man kann Ausrichtlaser kaufen, deren Laserstrahl auf eine Entfernung von 20 Metern einen Winkelfehler von lediglich 1° hat und deren Punkt wirklich rund und nicht elliptisch ist, aber die liegen bei 1000,- €.
So viel war mir die Ausrichtung meines Hinterrades dann doch nicht wert.

Ich habe zwei Kegel aus Messing gedreht, um die Stellung von Schwingen- und Hinterradachse zueinander prüfen zu können.
Einer dieser Kegel nimmt einen preiswerten Laserpointer auf.
Die Winkelfehler werden durch Rotation kompensiert.
D.h. der von Hand mitsamt dem Kegel rotierte Laserpointer zeichnet einen Kreis an die über 12 Meter entfernte Wand.
Der Mittelpunkt des Kreises bildet das Zentrum einer Achse ab.
Ich messe an der Wand den Abstand von Schwingenachse zu Hinterradachse.
Wenn die Kreismittelpunkte jetzt an der Wand auch nur ungefähr denselben Abstand zueinander haben wie die Achsen am Motorrad, so ist davon auszugehen, dass Schwingenachse und Hinterradachse parallel zueinander stehen.

Zentrierkegel mit Laserpointer
Zentrierkegel mit Laserpointer auf der rechten Seite.
Zentrierkegel links
Zentrierkegel links – der Silikonschlauch ersetzt die fehlende Druckfeder.

Aber die Achsen stehen nicht parallel zueinander sondern laufen nach rechts aufeinander zu. Ich muss den rechten Kettenspanner wieder in die ursprüngliche Position bringen, damit Schwingen- und Hinterradachse wieder parallel zueinander stehen.

Die Kettenspanner stehen jetzt übrigens wieder im gleichen Abstand wie vorher.

Die Projektion der Achsmitten:

Achsmitten-Projektion
Projektion der Achsmitten

Der Winkelfehler meiner Hinterachse gegenüber der Schwingenachse dürfte jetzt wieder 0° betragen. Die Projektion meiner Achsmitten stehen in 12 m Entfernung zum Motorrad auf demselben Abstand wie direkt am Motorrad. In meinem Fall waren das 609 mm. Dieses Maß ist aber vom Verschleiß der Kette abhängig.

Die Skalen am Kettenspanner stimmen!

Ich muss heute Abend nochmal genau messen, aber nach den jetzigen Erkenntnissen hat mein Hinterrad einen seitlichen Radaufstandspunktversatz von 3 mm nach rechts.

Ich konnte heute übrigens den Radaufstandspunktversatz von 3 mm nach rechts für mein Motorrad nochmal durch eine Kontrollmessung bestätigen.

Das bedeutet, dass die beiden Laserlinien am Überfahrschutz jeweils um drei Millimeter nach rechts versetzt stehen müssen.

Nachtrag:

*Kettenlaser:

Bevor man mit dem Kettenlaser oder Kettenfluchtlaser Messungen oder Überprüfungen macht, sollte man als erstes den Laser selbst auf Genauigkeit prüfen.
Dazu braucht man eine absolut ebene Fläche. Eine Alu-Richtlatte oder eine lange Wasserwaage aus Aluminium sollten funktionieren.
Am besten hält man beim Kauf zwei Wasserwaagen oder Alu-Richtlatten gegeneinander und zwar mehrfach.
Zwischendurch wendet man eine der Beiden.
Wenn in keiner Position ein Lichtspalt zu sehen ist, ist alles in Ordnung.
Dachlatten aus Holz sollten nicht verwendet werden.
Die ändern ihre Ebenheit mit der Luftfeuchtigkeit.

Bei meinem Kettenlaser war der Strahl nicht parallel zur Bodenfläche des Gehäuses.
Der Strahl fiel auf 2 Meter um drei Millimeter ab.
Das muss man entweder vorher ausgleichen oder beim Messen berücksichtigen.

Online Rechner Trigonometrie

Das Internetz hat übrigens einen schönen Online Rechner Trigonometrie.

Online Rechner Trigonometrie
Online Rechner Trigonometrie

Ich habe in 12 m Entfernung einen Achsabstand von 609 mm gemessen. Also denselben Abstand wie direkt am Motorrad.

Der Winkelfehler meiner Hinterachse gegenüber der Schwingenachse dürfte damit 0° betragen.

Wenn ich in den Online Rechner auf 12 m Distanz eine Ungenauigkeit von 1 cm eingebe, so hätte meine Hinterachse gegenüber der Schwingenachse einen Schiefstand von 0,05 °. Ich denke, damit könnte man leben (geradeausfahren).

Der Achsschiefstand von 0,05° war eine theoretische Annahme bei einer Maßabweichung der projizierten Achsmitten von einem cm und sollte nur deutlich machen, dass mit der Zunahme des Abstandes der Projektionsfläche vom Motorrad die Genauigkeit steigt.

Schön wäre es, wenn sich jemand von BMW mal zum Radaufstandspunktversatz äußern könnte.

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